Dem Gebäude des Neuen deutschen Theaters (heutiger Staatsoper) auf dem Grundstück des ehemaligen Gartens „Smetanka“ ist 1859–1885 das Neustädter Theater vorangegangen. Dieses war vom Direktor des Ständetheaters, Franz Thomé (1807–1872), initiiert und nach den Plänen des Architekten Josef Niklas (1817–1877) als hölzerne Sommerbühne mit 1241 Sitz– und 2000 Stehplätzen erbaut worden. In diesem Theater, das über Gasbeleuchtung verfügte, wurden Ausstattungsstücke aufgeführt, für welche das alte Gebäude am Obstmarkt zu klein war. Auf seinem Programm standen deutsche ebenso wie tschechische Schauspiele und Opern. Im Jahre 1864 fand hier eine Feier zum 300. Geburtstag von William Shakespeare statt, die mit einem – vom Maler Karel Purkyně (1834–1868) verewigten – Festzug kostümierter Darsteller von Shakespearerollen durch Prag verbunden war. In die Geschichte der tschechischen Oper ist das Neustädter Theater durch die Uraufführungen der Opern Dalibor von Bedřich Smetana (am 16. Mai 1868, dem Tag der Grundsteinlegung der Nationaltheaters), Břetislav von Karel Bendl (18. September 1870) und Der verzauberte Prinz von Vojtěch Hřímalý (13. Mai 1872) eingegangen. Eine Serie von Theaterbränden in der zweiten Hälfte der 19. Jahrhunderts in ganz Europa hatte aber strengere Feuerwehrvorschriften zur Folge, die den Theaterbetrieb in hölzernen Gebäuden stark einschränkten. So wurde das Neustädter Theater nach 26 Jahren demoliert, um Platz für ein neues gemauertes Gebäude zu schaffen.
Neues deutsches Theater (1888–1938)
Mit der Erstellung der Baupläne betraute der Deutsche Theaterverein die beiden Wiener Architekten Ferdinand Fellner (1847–1916) und Hermann Helmer (1849–1919), aus deren gemeinsamer Arbeit die Errichtung einer Reihe von Theaterbauten in mittel- und osteuropäischen Städten hervorgegangen ist (in Böhmen und Mähren waren es z. B. jene in Karlsbad, Brünn, Reichenberg, Gablonz n. Nisou und Jungbunzlau. Der Erbauer der Wiener Burgtheaters, Karl Hasenauer, war als Begutachter am Projekt beteiligt, den Bau leitete der Prager Architekt Alfons Wertmüller. Auf dem Grundstück des ehemaligen Neustädter Theaters wuchs in 20 Monaten ein großzügig dimensioniertes Gebäude empor, dessen Vorderseite gegen die damalige Sadová (heute Wilsonova)-Straße gerichtet war, die den oberen Teil des heutigen Wenzelsplatzes mit dem Franz-Joseph-Bahnhof (heute Hauptbahnhof) verband.
Diese Straße – von einem eisernen Gitter eingezäunt und mit einem Durchlaß zur Einhebung einer Verzehrungssteuer – bildete die Grenze zwischen der Prager Neustadt und der damals noch selbständigen Vorstadt Königliche Weinberge /(Vinohrady). Neben dem Theatergebäude erstreckte sich ein Garten mit Restaurant für die Theatergäste, in dem auch ein Musikpavillon für Konzerte stand. Dieser Garten ist in den 20er Jahren einer der Finanzkrisen des Theaters zum Opfer gefallen, als er als Grundstück verkauft werden mußte.
Die Architekten Fellner und Helmer haben das Gebäude im Neurenaissance-Stil entworfen, der in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts gern für öffentliche Gebäude verwendet wurde (in Prag waren dies z. B. das Nationaltheater von Josef Zítek, das Nationalmuseum von Josef Schulz oder das gemeinsame Werk dieser beiden Architekten, das als Gemäldegalerie und als Veranstaltungsort von Konzerten dienende Künstlerhaus Rudolfinum). Der Giebel der Eingangsportikus ist von sechs korinthischen Säulen getragen. Sein figuraler Schmuck stammt von dem Wiener Bildhauer Theodor Friedl (1842–1899). Dargestellt ist im Zentrum des Giebels die allegorische Figur des Dichters, der „die nach der Zerreißung des Orpheus durch die Mänaden von diesen ins Meer geworfene aber wieder gefundene Lyra ergreift, um sich mit ihr auf dem Pegasus zu den Bahnen ewigen Ruhmes emporzuschwingen. […] Die Krönung des Giebels bildet in der Mitte „Fama“ mit Pasaune und Palmenzweig. Rechts thront „Thalia“, links Dionysos auf einem Wagen, welchem ein Löwe und ein Panther vorgespannt sind. (Katz) in den Ovalfenstern zwischen den Säulen wurden die Büsten von Schiller, Goethe und Mozart aufgestellt, die nach dem Zweiten Weltkrieg im Rahmen der Denazifizierung beseitigt worden waren. Die Seitenfassaden der beiden an den Mittelbau anschließenden Stiegenhäuser endeten ursprünglich in Terrassen, die jedoch später verbaut worden sind. Die alten Ansichtskarten dokumentieren den Wandel der Umgebung des Theaters, das anfangs völlig frei stand. Später wurden links von ihm ein (heute nicht mehr existierendes) Hotel, rechts (auf der Stelle des Theatergartens) das Gebäude der Produktenbörse errichtet.
Das Theater faßte ursprünglich an die 2000 Zuschauer. In dieser Zahl sind jedoch auch die mehr als 500 Stehplätze im Parterre und auf der Galerie inbegriffen, die bei der Renovierung 1967–1973 auf die heutige Zahl von 20 Stehplätzen reduziert worden sind. Das Theater hatte eine kombinierte Gas- und elektrische Beleuchtung und wurde durch vier Kaloriferen (Dampfkessel) beheizt. Die Luftventilation hatte eine Leistung von 90 000 Kubikmetern pro Stunde. Die Portalbreite der Bühne betrug 13,8 m, die innere Breite lediglich 23 m. Die Vorderbühne war 16,3 m, die Hinterbühne 8,7 m tief, für die gesamte Bühne standen also nur 25 m zur Verfügung. Die Bühne war vom Zuschauerraum durch einen eisernen Vorhang und durch den gemalten Hauptvorhang von Eduard Veith (1858–1925) getrennt. Das dekorative Deckenfresko des Zuschauerraumes (der Vorhang ist nicht erhalten geblieben) stammt ebenfalls von Veith, der u.a. auch das Deckenfresko und den Hauptvorhang des Deutschen Volkstheaters in Wien geschaffen hat. Der Zuschauerraum ist – im Unterschied zum Äußeren des Theaters – im Stil des Neorokoko gehalten und gehört noch heute zu den schönsten Theaterinterieurs in Europa.