Die Prager Opernhäuser und ihr Umfeld stehen im Mittelpunkt des ersten Clusters. Es geht um Fragen des Repertoires und der Programmpolitik, um Künstler:innen und Komponist:innen, um die Musik-Direktoren der Opernhäuser, z. B. Alexander Zemlinsky und George Szell, sowie um die musikalischen Ausdrucksformen der Oper in dieser Zeit.
Forschung & Themenfelder
Forschung zu verfolgten Komponist*innen
Musica non grata versteht sich als künstlerisch-wissenschaftliches Projekt, das den systematischen Brückenschlag zwischen Forschung und künstlerischer Umsetzung sucht. Neben der Konzert- und Opernreihe sind verschiedene Forschungsprojekte geplant, die Facetten der künstlerisch reichen Zeit der 1910er- bis 1930er-Jahre in Prag aus einer historisch-wissenschaftlichen Sicht beleuchten wollen. Die inhaltliche Arbeit konzentriert sich auf zurzeit acht Cluster, die im Laufe des Projekts erweitert werden können.
Kontaktperson: Dr. Kai Hinrich Müller
Das Cluster umfasst eines der zentralen Themenfelder von Musica non grata. Es geht um Künstlerinnen, die in Prag und anderen Städten der Republik aktiv waren, darunter Julie Reisserová, Vítězslava Kaprálová, Sláva Vorlová, Marie Drdová (Konstantin Constans) oder Lena Stein-Schneider. Auch Aspekte wie die Frauenrechtsbewegung nach der Wende zum 20. Jahrhundert rücken in den Fokus der Betrachtung und damit Frauenrechtlerinnen wie Františka Plamínková, die 1942 von den Nazis ermordet wurde.
Die Auseinandersetzung mit der jüdischen Musikkultur in der Prager Zwischenkriegszeit ist ein weiteres zentrales Ansinnen von Musica non grata. Ausgewählten Spuren wird nachgegangen, darunter der musikalischen Praxis an den Prager Synagogen, der Arbeit jüdischer Künstler:innen, aber auch Diskursen über das »Jüdischsein« und dem Antisemitismus der Zeit, wie er sich zum Beispiel rund um die Ernennung von Samuel Steinherz als Rektor der Karls-Universität offenbarte.
Prag ist nicht nur eine Stadt der Oper und romantischer Meisterwerke, sondern auch ein Hotspot für zeitgenössische Musik. Dies gilt heute, aber auch für die Zwischenkriegszeit, in der nach dem Zusammenbruch des Habsburgerreiches der Geist des Neuen in der Luft lag. Die Internationale Gesellschaft für Neue Musik veranstaltete etwa ihre berühmten Weltmusiktage gleich mehrfach in Prag. In den Feuilletons wurde das Neue heiß diskutiert, der »Auftakt« wurde zu einem führenden Magazin im Diskurs über die Moderne. »In futurum« – so lautet passend der Titel eines Klavierwerks von Erwin Schulhoff in jener Zeit – paradigmatisch für Prag als Ort des Neuen.
Das Cluster konzentriert sich auf die Künste im weiteren Sinne. Denn auch wenn Musica non grata primär auf das Musikleben des Prager Interbellum ausgerichtet ist, gilt es, auch die weiteren künstlerischen Ausdrucksformen der Zeit im Blick zu haben. Tanz, Literatur, Malerei, Bildende Kunst, Rundfunk und der aufkommende Film in dieser Zeit sollen betrachtet werden – und damit zugleich ihr Verschmelzen zu neuen Formen und Formaten.
Das Cluster widmet sich der tschechischen Widerstandsbewegung und der Frage, inwieweit Komponist:innen und Künstler:innen Teil des Widerstands waren und ihn durch ihre Musik unterstützten. Bohuslav Martinů verfasste etwa seine Feldmesse in diesem Kontext, »eine Art Gebet für das Vaterland und eine Sehnsucht nach Heimat, die ich durch die Töne für uns alle übermittle«, wie er beschreibt.
Die Lebens- und Leidenswege der im KZ Terezín inhaftierten Musiker:innen sind Ausgangspunkt der programmatischen Arbeit im Rahmen dieses Clusters, das zugleich eines der zentralen Themenfelder im Rahmen von Musica non grata ist. Unter anderem in Form von Summer schools und der Zusammenarbeit mit Initiativen wie Terezín Composers’ Institute, Gedenkstätte Theresienstadt, Jüdisches Museum in Prag, Ewige Hoffnung, rücken die Musiken und Biografien der so genannten »Theresienstädter Komponisten« in den Blickpunkt.
Flucht und Exil – Vertreibung und »blurred identities«: Prag war oft ein Ort des Exils, ebenso wie es Ausgangspunkt erzwungener Flucht war. An dieser Stelle setzt das vorliegende Cluster an, indem es sich den künstlerischen Antworten auf »Heimat« und Exil widmet und den Lebenswegen exilierter Künstler:innen folgt.