Weinberg stammte aus einer Künstlerfamilie. Sein Vater Shmuel Vajnberg war als Musiker an mehreren jiddischen Theatern tätig. Nachdem dessen Vater und Großvater im Jahre 1909 während antijüdischer Repressionen in der Stadt Kischinau (Moldau) ums Leben gekommen waren, übersiedelte er nach Warschau, wo er unter anderem in den Theatern Central, Skala und Elyseum beschäftigt war. Nach der Geburt seiner Tochter Ester im Jahre 1921 war er bei der Plattenfirma Syrena angestellt und dort für jüdische Musik zuständig. Der Beruf und die Herkunft der Mutter des Komponisten, Sonja (in einigen Quellen Sarrah oder Sara), sind weitgehend unklar, wahrscheinlich war sie ebenfalls künstlerisch tätig und hatte so auch ihren künftigen Mann kennen gelernt.
Weinberg war seit seiner Kindheit von Musik umgeben, insbesondere von der traditionellen jüdischen Musik. Er hatte Klavier (als Autodidakt) gelernt und das Violinspiel seines Vaters begleitet, trat in Kaffeehäusern, bei Hochzeiten und in Kinos auf. Mit zwölf Jahren wurde er am Warschauer Konservatorium aufgenommen; sein Lehrer war der in ganz Europa angesehene Pianist Józef Turczyński. Ihm hatte der vierzehnjährige Weinberg seine ersten Kompositionen, die Mazurkas op.10 und 10a, gewidmet. Er war unbestritten ein sehr begabter Pianist, der von manchen als Nachfolger der polnischen Interpretationstradition eines Leopold Godowski, Ignaz Friedman und Ignaz Paderewski angesehen wurde. Im Frühling 1939 bot ihm der Direktor des Curtis Institute of Music in Philadelphia, Józef Kazimierz Hofmann, an, sein Studium bei ihm fortzusetzen. Doch der Krieg machte diese Möglichkeit zunichte. Der Weg zu einer vielversprechenden Solistenkarriere wurde durch den Einmarsch der Hitlertruppen in Polen im September 1939 unterbrochen – der Moment, von dem an die Lebensgeschichte des damals 19-jährigen Komponisten eine entscheidende Wendung erfahren sollte.
Der dornige Weg in die Freiheit
Weinberg flüchtete gemeinsam mit 17 Mitschülern aus dem Warschauer Konservatorium ins 300 Kilometer entfernte Weißrussland. Es ist nicht klar, ob ihn auch seine Familie begleitet hatte; einige Quellen geben an, dass seine Eltern und die Schwester (oder vielleicht nur der Vater) bis zur Stadt Luninez in der ehemaligen Wojwodschaft Polesien gekommen seien und am 4. September 1942 bei der Liquidierung des dortigen jüdischen Ghettos ermordet wurden; andere Quellen nennen das SS-Ausbildungs- und Arbeitslager Trawniki in der Nähe von Lublin. Den Krieg selbst hatte nur Mieczysław überlebt: „Am 6. September 1939, dem sechsten Tag des Krieges gegen die Deutschen, bin ich nach Hause gekommen“, so erinnerte sich später hieran; „ich habe damals in dem Nobel-Kaffehaus Adria im aristokratischen Viertel von Warschau gespielt. […] Und auf einmal höre ich im Radio den Oberst Umiastowski, der sagte, es ist Krieg, Krieg, die Deutschen haben unsere Verteidigung durchbrochen und bis morgen werden sie in Warschau sein, ... und wer eine Möglichkeit hat, nach Osten zu fliehen, der soll es tun. Meine Schwester und ich rannten natürlich sofort los. Nach ein paar Stunden zu Fuß hat meine Schwester die Füße von den Schuhen wund gerieben gehabt und ist zurückgekehrt. Das war ihr Ende. Ich bin siebzehn Tage lang unter Kugeln, unter Bombenangriffen, ohne Essen und Trinken weitergegangen.“ Weinberg widmete später einige seiner Werke dem Andenken an seine Familie: die Sonate Nr. 3 op. 126 für Violine solo seinem Vater Shmuel, die einsätzige Symphonie Nr. 13 op. 115 aus dem Jahre 1976 und die Sonate Nr. 6 für Violine und Klavier Op. 136 aus dem Jahre 1982 der Mutter, und das Streichquartett Nr. 16 op. 130 aus dem Jahre 1981 der Schwester Ester zum Gedenken an ihren 60. Geburtstag. An den Vater des Komponisten erinnern auch die Violinsoli in der Symphonie Kaddish.
Schlußsatz der Symphonie Nr. 21 Kaddish, in der ein Solosopran wie die Stimme eines Engels über dem Orchester schwebt. Gidon Kremer – City Of Birmingham Symphony Orchestra – Kremerata Baltica – Mirga Gražinytė-Tyla (DG 2019)
Minsk und die darauffolgende Odyssee
Nach seiner Flucht aus Polen ließ sich Weinberg in Minsk nieder, wo er am weißrussischen Staatskonservatorium die Möglichkeit hatte, in der Klasse von Wassili Andrejevitsch Solotarjow Komposition zu studieren. Zur Persönlichkeit und zum Unterricht dieses Professors gibt es Erinnerungen eines Mitschülers von Weinberg, Wladimir Olownikow: „Er (Solotarjow) war eine bemerkenswerte und schillernde Persönlichkeit. Er verband in sich auf harmonische Weise Geist und natürliches musikalisches Talent, hohe allgemeine Kultur und Gelehrsamkeit, tiefes theoretisches Wissen, einen anspruchsvollen Charakter und Intoleranz gegenüber beruflichem Analphabetismus und Schlamperei, und gleichzeitig war er aufnahmefähig, freundlich, witzig, bescheiden und selbstlos.“ Unter der Anleitung von Solotarjow komponierte Weinberg zwei Liederzyklen, das Streichquartett Nr. 2 op. 3, die Klaviersonate Nr. 1 op. 5 und zwei heute verschollene Werke, Yolka für Soli, Chor und Orchester und Musik zum Hörspiel Timur und sein Trupp nach einer Erzählung von Arkadi Gajdar. Seine Abschlusskomposition am Konservatorium war die Symphonische Dichtung für großes Orchester op. 6 (das Manuskript umfasst 110 Seiten und trägt den Titel Chromatische Symphonie), die er Solotarjow gewidmet hatte. Die Uraufführung fand durch die Weißrussische Staatsphilharmonie am 21. Juni 1941 statt. Am Tag danach überfiel Deutschland die Sowjetunion – Weinberg musste abermals fliehen. Mit seinen Mitschülern kam er während der Evakuierung der Bevölkerung nach Taschkent (Usbekistan), wo er als Korrepetitor an der Oper arbeitete und unter anderem seine Symphonie Nr. 1 und seine erste Oper schrieb, die jedoch verloren ging. In Taschkent lernte er auch seine erste Frau kennen, Natalia Michoëls-Vovsi, die Tochter des Regisseurs, Schauspielers und Direktors des jüdischen Theaters GOSET in Moskau und späteren Vorsitzenden des Jüdischen Antifaschistischen Komitees, Solomon Michoëls (ursprünglich Vovsi). Weinberg und Natalia heirateten 1942, in ihrer Ehe wurde die Tochter Viktoria geboren.
Freundschaft mit Dmitri Schostakowitsch
Im Jahre 1943 gelangte ein Exemplar von Weinbergs Symhonie Nr. 1 in die Hände des 13 Jahre älteren Dmitri Schostakowitsch, einer Persönlichkeit, in der der junge Komponist nicht nur einen prominenten Kollegen, sondern auch einen lebenslangen Förderer und engen Freund fand. Er sorgte dafür, dass Weinberg mit seiner Familie 1943 nach Moskau übersiedeln konnte, was während des Krieges nicht einfach war. Die beiden Komponisten waren fast jeden Tag beisammen, berieten sich über ihre Werke und spielten sie sich, noch bevor sie der Öffentlichkeit präsentiert wurden, gegenseitig am Klavier vor. „Ich bin ein Schüler von Schostakowitsch. Obwohl ich nie Unterricht bei ihm genommen habe, nenne ich mich ‚seinen Schüler‘, sein Fleisch und Blut,“ hatte Weinberg später hierüber gesagt. Schostakowitsch, der ihn als einen der außergewöhnlichsten Komponisten seiner Zeit ansah, widmete ihm sein Streichquartett Nr. 10 op.118 aus dem Jahre 1964. Weinberg wiederum brachte 1967 zusammen mit Galina Wischnewska, David Oistrach und Mstislav Rostropowitsch Schostakowitschs die sieben Romanzen nach Alexander Blok op.127 und zwei Jahre danach mit David Oistrach die Violinsonate op. 134 (als Einspringer für Swjatoslaw Richter) zur Uraufführung.
Es war möglicherweise Weinberg, der in Schostakowitsch das Interesse an der jüdischen Musik erweckt hatte, was vor allem in dessen Zyklus für Sopran, Mezzosopran, Tenor und Klavier Aus jüdischer Volkspoesie op. 79 und in der Symphonie Babij Jar op. 113 aus dem Jahre 1962 zum Ausdruck kommt. Zur Zeit der Entstehung der Letzteren hatte Weinberg an seiner Symphonie Nr. 6 gearbeitet, die er den getöteten Kindern und den Kriegswaisen widmete. Schostakowitsch sagte später über jenes monumentale Werk: „Ich wünschte, ich könnte unter diese Symphonie meinen Namen setzen.“
Obgleich sich beide Komponisten sehr nahe standen, ist ihr Stil verschieden. Auch in Weinbergs Schaffen fehlt die Ironie nicht, doch sie ist weniger bitter, nicht auf die Spitze getrieben wie bei seinem älteren Kollegen und Freund. Auch Weinbergs Musik hat wilde und traurige Züge, doch verbirgt sie auch stets ein Stück Hoffnung. Seine Werke enden häufig in der Stille, nicht als Zeichen der Resignation, sondern der Versöhnung. Im Vergleich zu Schostakowitsch ist er ein größerer Romantiker, sein Kompositionsstil ist bunter und in der letzten Schaffensperiode auch lyrischer, nachdenklicher, immer fest in den klassischen Formen verankert. Boris Schwarz nannte Weinberg in seinem Artikel für das The New Grove Dictionary of Music and Musicians daher auch einen „konservativen Modernisten“ – die Bezeichnung „moderner Konservativer“ würde aber vielleicht besser zu ihm passen, wie ihn Simon Wynberg, Gitarrist und Kurator der Serie Music in Exile am Royal Conservatory of Music in Toronto, charakterisierte. Weinberg verwendet traditionelle harmonische Mittel und war ein bewundernswerter Melodiker.
„Ich wünschte, ich könnte unter diese Symphonie meinen Namen setzen “ – so äußerte sich Dmitri Schostakowitsch über die Symphonie Nr. 6 von Mieczysław Weinberg. Staatliches Akademisches Symphonieorchester St. Petersburg – Glinka Choral College Boys‘ Choir – Vladimir Lande
Der Fall Vovsi
Kehren wir in die Kriegsjahre zurück: Nach seiner Übersiedlung nach Moskau wurde Weinberg 1943 Mitglied des Verbandes sowjetischer Komponisten, was ihm half, für seine Familie zu sorgen, ohne der Kommunistischen Partei beitreten zu müssen (er war nie Parteimitglied). Für die Aufführungen und Herausgabe seiner Werke setzten sich seine Kollegen Schostakowitsch und Nikolai Mjaskovski ein. Als sich nach Kriegsende jedoch die vom Antisemitismus des stalinistischen Regimes genährten Erscheinungen einer jüdischen Diskriminierung auszuwirken begannen, wurde auch Weinberg wegen seiner polnisch-jüdischen Herkunft zu einem Verfolgten. Ein weiterer Grund war auch die Beziehung zur Familie seiner Frau. Sein Schwiegervater Solomon Michoëls wurde im Jahre 1948 bei einem fingierten Autounfall durch die TSCHEKA (Außerordentliche Allrussische Kommission zur Bekämpfung von Konterrevolution, Spekulation und Sabotage) getötet. Weinberg wurde ständig überwacht und seine Musik sowohl von Konzertveranstaltern als auch von Medien und Verlagen boykottiert. Um seine Familie zu ernähren, kehrte er – und das mit großem Erfolg – zu seinen Wurzeln zurück und begann Musik für Zirkusvorstellungen und andere Gebrauchsmusik zu komponieren. In der Großen sowjetischen Enzyklopädie steht sein Name daher nicht unter dem Buchstaben V (Vajnberg), sondern unter C (Cirkus).
Am Freitag, dem 6. Februar 1953, einen Tag nach der Premiere seiner Rhapsodie über moldawische Themen op. 47 mit David Oistrach, wurde Weinberg verhaftet – aufgrund der absurden Beschuldigung, er würde einen jüdischen Staat auf der Krim vorbereiten. Der wahre Anlass war die Verwandtschaft seiner Frau Natalia mit Miron Vovsi (sie war dessen Cousine), einem der Hauptangeklagten in dem Prozess, der heute als „Ärzteverschwörung“ bekannt ist. Zwischen 1952 und 1953 wurden aufgrund von erzwungenen Geständnissen insgesamt 28 Ärzte, davon 13 jüdischer Abstammung (unter den ersten war auch Vovsi), festgenommen und in einem Schauprozess mit politischem Hintergrund körperlich und seelisch misshandelt. Die Familie befürchte in Folge dessen auch die Verhaftung von Natalia, weswegen sie die Vollmacht ausgestellt hatte, ihre Tochter Viktoria notfalls der Obhut von Schostakowitschs Frau Nina Wassiljewna anzuvertrauen. Ohne an seine eigene Sicherheit zu denken, schrieb Schostakowitsch einen Brief an Stalin und dessen Geheimdienstchef Lavrentij Berija, in dem er sich für Weinbergs Unschuld verbürgte. Weinberg war im Gefängnis Temperaturen bis zu minus 30 Grad Celsius und Schlafentzug ausgesetzt. Stalins Tod im März 1953 rettete ihn. Am 25. April 1953 wurde er aus der Haft entlassen, doch seine ohnehin angeschlagene Gesundheit war bis zu seinem Lebensende ernsthaft geschwächt. Natalia erinnerte sich später: „Kurz nachdem Schostakowitsch und seine Frau in den Urlaub in den Süden abgefahren waren, haben sie mich gezwungen zu versprechen, dass ich ihnen sofort ein Telegramm schicke, sobald Weinberg freigelassen sein wird. Kurz darauf konnten wir tatsächlich ein Telegramm senden, in dem stand: Genießen Sie Ihren Urlaub. Wir umarmen euch, Tala und Metek. In zwei Tagen waren die Schostakowitschs wieder in Moskau. Wir haben an diesem Abend gefeiert. An einem festlich gedeckten Tisch mit Kerzen in antiken Ständern hat Nina Wassiljewna die Vollmacht, die ich ihr geschrieben hatte, vorgelesen. Dann ist Dmitri Schostakowitsch aufgestanden und hat mit Ernst gesagt: ‚Nun vertrauen wir dieses Dokument den Flammen an‘, und gesagt, ich soll es über die Kerze halten und verbrennen. Nachdem wir das Dokument vernichtet hatten, haben wir Wodka getrunken und uns zum Abendessen niedergesetzt. Selten habe ich Dmitri Schostakowitsch so ruhig oder gar fröhlich erlebt wie an jenem Abend. Wir saßen bis in die frühen Morgenstunden. Nina hat lachend erzählt, wie viel Angst die Vitoscha hatte, in einem Waisenhaus eine schlechte Erziehung zu erhalten; erst dann wurde mir klar, dass die Schostakowitschs wirklich entschlossen waren, sie zu sich zu nehmen.“
Die Rückkehr
Mitte der 1950er-Jahre begann Weinberg damit, intensiv für den Spiel- und Animationsfilm zu arbeiten. Zum ersten Mal hatte er sich bereits 1936 in Polen mit der Musik an einer Science-Fiction-Geschichte beteiligt, Fredek uszczęśliwia świat (Fredek mach die Welt glücklich), in der das Videotelefon eine wichtige Rolle spielt. Zu seinen wichtigsten Arbeiten für den Film gehören auch die Musik für das beim Filmfestival in Cannes mit der Goldenen Palme ausgezeichnete Kriegsdrama Летят журавли (Die Kraniche ziehen) des Regisseurs Michail Kalatosow und die Musik zum Animationsfilm nach Alan A. Milnes Винни-Пух (Pu der Bär) in der Regie von Fedor Chitruk.
Mieczysław Weinberg hat die Musik zum Animationsfilm des Regisseurs Fedor Chitruk Pu der Bär geschrieben; der Film war am Ende der 1960er-Jahre sehr populär.
In den 1960er-Jahren wandte sich Weinberg dann vor allem der Vokalmusik und dem Thema Exil und Holocaust zu. „Viele meiner Werke beziehen sich auf das Thema Krieg. Ich habe mir das Thema nicht ausgesucht. Es wurde mir vom Schicksal diktiert, dem tragischen Schicksal meiner Lieben. Ich betrachte es als meine moralische Pflicht, über den Krieg zu schreiben, über das schreckliche Schicksal, das unser Jahrhundert den Menschen bereitet hat.“ Er komponierte den Zyklus Biblia cygańska (Zigeunerbibel) op. 57, die Symphonie Nr. 8 Kwiaty polskie (Polnische Blumen) op. 83 nach Texten von Julian Tuwim, die Kantate Pamiętnik miłości (Ein Tagebuch der Liebe) op. 87 nach Gedichten von Stanisław Wygodzki und Weiteres.
Im Jahre 1968 entstand eines seiner bedeutendsten Werke – die Oper Die Passagierin op. 97 auf ein Libretto von Alexander Medwedew nach dem Hörspiel Pasażerka z kabiny 45 (Die Passagierin aus der Kabine 45) der polnischen Autorin Zofia Posmysz. Die Handlung der Oper erzählt von Lisa, einer ehemaligen Aufseherin im KZ Auschwitz, die mit ihrem Mann auf einem Ozeandampfer nach Brasilien reist und an Bord einer Passagierin begegnet, die sie an eine von ihr für tot gehaltene Gefangene erinnert. Obwohl sich sogar Schostakowitsch für die Aufführung der Oper eingesetzt hatte, wurde sie erst nach Weinbergs Tod uraufgeführt: im Jahre 2006 konzertant in Moskau, szenisch im Jahre 2010 bei den Bregenzer Festspielen in der Regie von David Pountney, als Ko-Produktion des Teatr Wielki in Warschau, der English National Opera in London und des Teatro Real Madrid. An dieser bei Arthaus Musik auf DVD erschienenen Produktion war auch der Prager Philharmonischer Chor beteiligt. Die Geschichte der KZ-Gefangenen Marta wurde im Anschluss auch an der Opera Houston (2014), der Lyric Opera Chicago (2015), am Detroit Opera House (2015), der Florida Grand Opera in Miami (2016) und in Karlsruhe, Frankfurt, Ekaterinburg, Moskau und Dresden gespielt.
Zwei Jahre nach der Arbeit an der Passagierin trennte sich Weinberg von seiner Frau Natalia. Abermals zwei Jahre später heiratete er eine Freundin seiner Tochter, Olga Rachalska; im Jahre 1971 wurde die Tochter Anna geboren. Natalia und Viktoria emigrierten im Jahre 1972 nach Israel. Weinberg selbst, der nach nach 1945 die Sowjetunion nur zwei Mal verlassen hatte (1966 besuchte er zum ersten Mal nach 1939 als Mitglied einer Delegation das Festival Warschauer Herbst; 1983 kam er nach Brno, wo seine Oper Das Porträt aufgeführt wurde), verbrachte seine letzten Jahre ruhig. Er litt an Morbus Crohn, weswegen er kaum noch die Wohnung verlassen konnte. Kurz vor seinem Tode versuchte er, seinen polnischen Vornamen Mieczysław (statt in seinen sowjetischen Dokumenten angeführten Moisej) wieder anzunehmen. Zwei Monate vor seinem Tod konvertierte er am 3. Januar 1996 zur russisch-orthodoxen Kirche. Er starb am 26. Februar 1996 in Moskau.
Die Oper Die Passagierin aus dem Jahre 1968 wurde erst 14 Jahre nach Weinbergs Tod uraufgeführt. Wiener Symphoniker – Teodor Currentzis (Bregenzer Festspiele 2010)
Weinbergs Popularität nahm in den 1970er-Jahren zu, beschränkte sich aber zunächst auf einen relativ kleinen Kreis von Bewunderern. Seine Musik wurde von Künstlern wie Emil Gilels, Mstislaw Rostropowitsch, Kiril Kondraschin, Leonid Kogan oder dem Borodin-Quartett gespielt, dessen Violincellist Valentin Berlinski über ihn sagte: „Ich sehe Weinberg als eine Einheit – als Kosmopoliten, Pianisten und Menschen […]. Sein außergewöhnliches Talent zeigte sich in allem, beginnend mit seinen menschlichen Qualitäten. Seine beeindruckende Noblesse, Bescheidenheit, Anständigkeit und Intelligenz finden sich in seinen Kompositionen wieder.“ Allmählich ha teine stärke Sicht auf sein Werk eingesetzt, die sich in zahlreichen Konzerten mit seiner Musik manifestiert.
Ein großer Freund von Weinbergs Musik war der Pianist Emil Gilels: Klaviersonate Nr. 4 op. 56 (LIVE, Moskau, am 23. Februar 1957)
Musikalisches Vermächtnis
Weinberg Werk umfasst zahlreiche Gattungen: Er schrieb allein 26 Symphonien, darunter Nr. 21 Kaddish, die im Rahmen von Musica non grata gespielt wird und die er zum zum Gedenken an die Opfer des im Jahre 1943 niedergeschlagenen Aufstandes im Warschauer Ghetto komponiert hatte. Zudem hatte er mit Schostakowitsch gewetteifert, wer mehr Streichquartette komponieren könne – 17 Quartette stammen von ihm, zwei mehr als sein Freund. Neben den 30 Sonaten (für Klavier, Violine, Viola, Violoncello, Kontrabass und Klarinette) sind auch seine sieben Instrumentalkonzerte zu nennen, vor allem jenes für Trompete sowie das Violinkonzert, das durch Leonid Kogan bekannt geworden ist; zudem komponierte er an die 150 Lieder nach verschiedenen Texten, verschiedene Kammermusik, ein Requiem, Kantaten, sieben Opern, drei Operetten, zwei Ballette, Film- und Bühnenmusik, Musik für Rundfunk und Zirkusvorstellungen. Seine Werke spiegeln eine Lebensgeschichte, die vom Zweiten Weltkrieg und den Repressalien während der stalinistischen sowie poststalinistischen Ära geprägt war. Dennoch erinnern sich die Menschen an ihn als „einen Mann, der selbst in dunklen Lagen immer ein helles Lich“ sah (so Tommy Persson, Weinbergs schwedischer Freund). Er selbst brachte seine Lebenseinstellung in einem Brief an seine zweite Frau Olga so auf den Punkt: „Komponist zu sein ist schließlich kein Vergnügen, es ist ein ewiger Dialog, eine ewige Suche nach Harmonie in Mensch und Natur. Diese Suche ist der Sinn und die Pflicht unserer kurzen Reise auf der Welt.“