Jaromír Weinberger

08/01/1896 Prag, 08/08/1967 St. Petersburg (Florida)  

Jaromír Weinberger wurde am 8. Januar 1896 in den „Königlichen Weinbergen“ (heute Prag) geboren. Wer sein musikalisches Talent entdeckte, ist nicht bekannt; auch nicht, wann genau es geschah. Fest steht jedoch, dass es ein enormes Talent war, was im krassen Missverhältnis zu seiner heutigen Rezeption steht. Noch immer gilt er als Geheim-Tipp, auch wenn sein Schaffen immens ist und vieles noch einer Wiederentdeckung harrt!

Biografie

Weinbergers Vater war Möbelhändler, eine Beziehung zur Musik hatte ihm wahrscheinlich die Mutter vermittelt – und dies erfolgrich, wie eine von der Lehrerin, Schriftstellerin und Übersetzerin Ludmila Grossmannová Brodská verfasste Zeitungsnotiz aus dem Jahre 1906 belegt: „Wir haben bei uns in Böhmen, in Prag, einen bereits bewährten Komponisten, einen nicht einmal neunjährigen Knaben, einen Schüler der vierten Klasse in der Volksschule in den Weinbergen, sein Name ist Jaromír Weinberger. Es erscheint zwar als unglaubwürdig, doch ist es Tatsache, dass bereits im Frühling dieses Jahres  der Verein Hlahol in den Weinbergen bei seinem Festkonzert im Nationalhaus öffentlich zwei ganz selbständige Kompositionen Jaromír Weinbergers öffentlich aufgeführt hat, von denen das zahlreiche Publikum entzückt war, auch deshalb, weil der Komponist die Klavierbegleitung selbst besorgt hat; der schmale kleine Bub hat  seine Lieder, das eine für Solostimme und das andere für drei Stimmen, ganz präzise geleitet. Seine Begabung soll nicht unterschätzt werden, sie erinnert sehr an die erste Zeit des Schaffens von Mozart.“ Der kleine Jaromír hatte den ersten Unterricht bei dem noch jungen Jaroslav Křička (erhalten. Wertvolle Ratschläge verdankte er auch dem Kapellmeister, Komponisten und Musiklehrer František Franěk, dem Komponisten und Dirigenten Rudolf Karel und dem Dirigenten Václav Talich. Er absolvierte die Meisterklasse am Prager Konservatorium bei Vítězslav Novák und ging dann nach Leipzig, zum Meister des Kontrapunkts Max Reger, dessen Akribie besonders in der Stimmführung vieler Werke Weinbergers offensichtlich ist.

Anfänge
Der junge Komponist musste im Ersten Weltkrieg nicht einrücken und konnte sich so auf die Musik konzentrieren. Er komponierte unter anderem verschiedene Bühnenmusiken, darunter nach der Vorlage von František Langer eine Pantomime Die Entführung der Evelyne, die im Jahre 1915 das Stadttheater in den Königlichen Weinbergen mit den Schauspielern Václav Vydra und Eduard Kohout aufgeführt hatte. Auch die Tschechische Philharmonie brachte einige seine Werke zur Aufführung. Die Kritik war jedoch reserviert: „Die Musik des Herrn Weinberger entbehrt ein eigenes Profil […]. In einem modernen musikalischen Gewand entfaltet sie mit pathetischer Geste die äußersten Mittel des modernen Orchesters, doch vergeblich versucht sie die innere Leere, bombastische Gedanken und falsche Affektiertheit zu verschleiern“. Dies könnte einer der Gründe gewesen sein, warum sich Weinberger im Jahre 1922 entschlossen hatte, in die USA zu reisen, um die Stelle des Kompositionslehrers an der Ithaca College School of Music zu übernehmen. Er war nicht der erste Tscheche hier, in den Jahren 1901–1902 war dort auch der berühmte tschechische Violinpädagoge Otakar Ševčík tätig. Trotz seines Interesses an der amerikanischen Literatur (zum Beispiel Walt Whitman, Mark Twain, Henry Longfellow oder Francis Bret Harte) und seines ernsten Planes, eine amerikanische Sinfonie nach dem Vorbild Antonín Dvořáks zu komponieren, war Weinbergers Aufenthalt in den Vereinigten Staaten jedoch nur von kurzer Dauer. Im Herbst 1923 war er bereits wieder in Prag – seine Union Rhapsody blieb unaufgeführt. Weitere Werke dieser Zeit waren die drei Stücke für Violine und Klavier To Nelly Gray, Cowboy's Christmas und Banjos.

Auch nach seiner Rückkehr aus Amerika tat sich Weinberger schwer, Fuß zu fassen. Er arbeitete kurze Zeit als Dramaturg am Slowakischen Nationaltheater in Bratislava und als Musiklehrer in Cheb/Eger. Im tschechischen Teil der Republik wurde er von der Kritik weiterhin zerpflückt, was eine Kritik von Boleslav Vomáčka illustriert: „Es ist in unserem künstlerischen Leben kein Geheimnis, dass Herr Weinberger abseits unseres Musiklebens steht und bisher weder durch seine Arbeit noch durch seine Persönlichkeit überzeugt, dass er ein wertvolles Bindeglied in der Entwicklung der heimischen Musik darstellen könnte.“ In der Slowakei war sein Renommee jedoch besser. Im März 1925 wurde in Bratislava das Lustspiel mit Gesang und Tanz von Ján Chalupka (1791–1871) mit der Musik Weinbergers Kocúrkovo oder Die Schande bleibt nicht auf uns sitzen aufgeführt (Kocúrkovo/Kocourkov ist ein Äquivalent zur deutschen Bezeichnung „Krähwinkel“). Das Werk wurde von Oskar Nedbal einstudiert, der im selben Jahr die Ouvertüre zu diesem Stück unter dem Titel Vorspiel zu einer alten slowakischen Komödie in Wien aufgeführt hatte. Wie in Bratislava, so kam die Musik auch hier gut an. Die Wiener Kritik sprach von „grotesk gefärbten nationalen Weisen“ im „ungemein reizvollen Spiel“. Weinbergers Sternstunde und der größte Erfolg seines Lebens waren näher gerückt.

Weinbergers Märchenoper Schwanda, der Dudelsackpfeifer aus dem Jahre 1927 hat die ganze Welt erobert, auch die Metropolitan Opera New York und das Royal Opera House Covent Garden in London.

Schwanda, der Dudelsackpfeifer
Die Oper Schwanda, der Dudelsackpfeifer mit dem Libretto von Miloš Kareš nach dem beliebten Märchenstück Strakonický dudák aneb Hody divých žen (Der Dudelsackpfeifer von Strakonitz oder Das Fest der wilden Frauen) von Josef Kajetán Tyl wurde am 27. April 1927 am Nationaltheater Prag in der Einstudierung von Otakar Ostrčil uraufgeführt. Trotz begeisterter Kritiken wurde sie nach 14 Aufführungen wieder aus dem Repertoire abgesetzt – ihr Schicksal sollte sich erst nach der deutschen Übersetzung des Librettos durch Max Brod entscheidend ändern. Im Jahre 1928 fand die deutsche Erstaufführung in Breslau/Wrocław statt, ein Jahr danach auch am Neuen deutschen Theater in Prag. Im selben Jahr wurde Schwanda in Basel, Laibach/Ljubljana, Leipzig und Berlin gespielt. An der Berliner Staatsoper Unter den Linden hatte auch Erich Kleiber die Oper mit Theodor Scheidl und Maria Müller in den Hauptrollen einstudiert. Es folgten Budapest, Sofia, Helsinki, Wien, 1931 dann die Erstaufführung an der Metropolitan Opera New York, drei Jahre danach am Royal Opera House Covent Garden in London. Und im Jahre 1935 landete der tschechische Musikant aus Strakonitz sogar in Buenos Aires. Erst die Nürnberger Rassengesetze setzten diesem Siegeslauf ein jähes Ende: Weinbergers Musik war nunmehr „unerwünscht“.

Auch wenn Schwanda das bei Weitem erfolgreichste Werk von Jaromír Weinberger ist, ist es mitnichten das einzige. Im Jahre 1929 schrieb er die Böhmischen Lieder und Tänze für Violine und Klavier (auch für Violine und Orchester bearbeitet), zwei Jahre danach eine imposante Passacaglia für Orchester und Orgel und im Jahre 1936 die Hebräischen Gesänge für Orchester und Chor. In den 1930er-Jahren sind auch seine Opern Die geliebte Stimme (1930), The Outcasts of Poker Flat (1932, der Librettist war wieder Miloš Kareš), und Wallenstein (1937) entstanden, ein Werk, das der Dirigent Clemens Krauss für das Operntheater in Wien (die heutige Wiener Staatsoper) geplant hatte. Im Jahre 1933 hatte Weinberger zudem einen Vertrag für die Musik zum Film Venus aus dem Ghetto nach dem soeben veröffentlichten Roman von Eduard Rada (eigtl. Rudolf Ekštei) abgeschlossen. Der Film wurde jedoch nie gedreht. Auch in der Operette hatte sich Weinberger versucht. Nach den Frühlingsstürmen (uraufgeführt am 20. Januar 1933 in Berlin mit Jarmila Novotná und Richard Tauber in den Hauptrollen) entstanden in Zusammenarbeit mit den Librettisten Bohumír Polách und František Kožík drei Operetten, die alle in Brünn uraufgeführt wurden: In einem Rosenbett (1933), Apropos, was macht die Anna? (1934) und Der Kaiser beim Kirschenpflücken (1936). Die Operette In einem Rosenbett wurde im Jahr 1934 mit Maria Tauberová, Lída Baarová, Antonie Nedošínská, Jindřich Plachta und Ladislav Pešek verfilmt. Weinberger war auch literarisch tätig und schrieb ab Ende der 1920er-Jahre Feuilletons für die Tageszeitung Národní listy, etwa über atonale Musik, den Jazz oder Antonín Dvořák.

Zu den bemerkenswerten Werken Weinbergers der 1930er-Jahre gehört die imposante Passacaglia für Orchester und Orgel (1931).

Das Leben in der Emigration
Der immer stärkere Terror, mit dem Nazideutschland die freie Welt bedrohte, zwang Jaromír Weinberger schließlich zur Emigration. Im Herbst 1938 ging er mit seiner Frau Hansi in die USA, obwohl er einem seiner Briefe an einen Landsmann in Buenos Aires zufolge auch an eine Auswanderung in die Sowjetunion gedacht hatte. Kurz nach seiner Ankunft in New York veröffentlichte The New York Times ein Gespräch mit ihm unter dem Titel Weinberger sucht nach Zeit zum Komponieren. Die ersten Jahre in den Vereinigten Staaten waren für ihn tatsächlich sehr fruchtbar. Eines seiner ersten Werke dort waren seine Variationen und Fuge für Klavier und Orchester nach dem alten englischen Lied Under the Spreading Chestnut Tree, die am 15. Mai 1939 von den New Yorker Philharmonikern unter Sir John Barbirolli uraufgeführt wurden. Ebenfalls 1939 hatte er Zehn charakteristische Soli für Schlagzeug und Klavier komponiert und im folgenden Jahr die Mississippi Rhapsody vollendet. Das Jahr 1941 war für ihn reich an erfreulichen Ereignissen: Am 15. Oktober wurde in Cincinnati seine Lincoln Symphony uraufgeführt, am 5. November spielte das Washington Symphony Orchestra seine Czech Rhapsody, und am 5. Dezember kam das letzte Bühnenwerk Weinbergers, das Ballett Saratoga, durch das Ballet Russe de Monte Carlo zur Uraufführung. 

Das Nazi-Regime wirkte sich auf die Familie des Komponisten brutal aus: Seine Mutter und seine Schwester Bedřiška starben im KZ; nur Boženka, seine Zwillingschwester, überlebte den Krieg (sie starb 1982 in Prag). Bei Weinberger selbst zeigten sich indes immer häufiger Attacken von Melancholie und Depression, deren Symptome bereits in den frühen 1930er-Jahren bemerkbar waren. Gleichzeitig ließ auch das Interesse an seiner Musik nach. Die letzten Jahre seines Lebens verbrachte er in St. Petersburg in Florida und komponierte nur wenig, hauptsächlich geistliche Musik. Am 8. August 1967 schied Jaromír Weinberger freiwillig aus dem Leben. Sein außergewöhnliches Schicksal und sein künstlerisches Vermächtnis wurden mit den Worten eines Kritikers prägnant charakterisiert: „Welche Freude, endlich wieder die Urkraft der Musik zu spüren und in Jaromír Weinberger einen Komponisten zu finden, der unbekümmert um alle modischen ‚Probleme‘ einfach ‚Musik macht‘, wie sie ihm sein warmes Musikantenherz eingibt!“

Weinbergers im amerikanischen Exil komponierte Czech Rhapsody zitiert ein beliebtes Lied von Tomáš G. Masaryk „Oh mein Sohn, mein Sohn“. Eine beeindruckende Aufnahme des Washington Symphony Orchestra aus dem Jahre 1942.

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